„Das
Wissen ist frei“
Ein
Gespräch mit dem Informationswissenschaftler Prof. Rainer Kuhlen
1.
Herr
Professor Kuhlen, mal ganz grundlegend: was ist der Unterschied zwischen Wissen
und Information?
Schwieriger geht es zu Anfang
kaumDa haben Sie eine zentrale Frage berührt:
Wenn sie 10 Wissenschaftler dazu befragen, bekommen sie wahrscheinlich 10 verschiedene Antworten.
Ich bin Informationswissenschaftler und habe mich viele Jahre mit
dieser Frage beschäftigt. Ich schlage aus dieser Sicht die folgende Definition
vor: Wissen ist die Menge von Aussagen über Objekte und Sachverhalte in der
realen oder konstruierten Welt. Das bezieht sich nicht nur auf Wissenschaft, sondern
auch auf beinhaltet alle Alltagsbereiche wie auch
für die Wissenschaft selber. Information ist für mich die
Teilmenge von Wissen, den die man ich in einer
konkreten, aktuellen Handlungssituation brauchte und nicht hatbe, und mir man sich daher
beschaffen muss. Eine von mir geprägte Formulierung bringt es
verkürztIch
habe das einmal, sicher leicht feuilletonistisch verkürzt, auf den Punkt gebracht: Information
ist Wissen in Aktion.
2.
Wenn
die Aktion, die Geschwindigkeit mit der Information zusammenhängt, wie haben
denn die schnellen Neuen Medien das Wissen verändert?
Das
Internet verändert sowohl was Wissen selber als auch die Art,ist wie auch die
Form wie Wissen entsteht und dargestellt wird. Das hängt eng mit der
Technik, besser: Methodik
zusammen, die dem im Netz zugrunde liegt, zusammenzur Anwendung kommt: Durch denWegen der durchgängigen
Hypertextmethodologie –
jedermann im Web durch , die Linkstrukturen vertraut - , ist wird Wissen nicht längerimmer weniger als eine
lineare logische Struktur
(als Text)
dargestellt, sondern bildet eine vernetzte Struktur. I, ich nenne das
„Hypertextifizierung“ von Wissen. Vielleicht ist Wissen auch in unseren Gehirnen
ähnlich organisiert. Das Wissen ist dadurch in Form und
Inhalt verändert. Vor allemAuch die Form des Zugriffs auf Wissen hat
sich verändert. Die
Nutzer im Internet, auch die Studierenden und die Bürger in ihrer Freizeit, verabschieden Auch hier
ist der Punkt, dass wir unssich zunehmend von linearen Prozessen der Wissensaufnahme.
verabschieden – Mman clickt und surft und schafft sich
aus verschiedenen
verteilten Wissenstücken ein neues Stück Wissen, das so vorher noch nicht da
war. Das nennt könnte man Virtualisierung von Wissen nennen..
3.
Einerseits
suggeriert das Internet uns, das der Zugang zum Wissen sehr viel einfacher und
breiter ist, andererseits, so ihre These, wird der Zugang zum Wissen und zur
Wissensgesellschaft exklusiver.
Ja,
sicher. Im Prinzip ist das Internet durch seine ursprüngliche Architekturper se
ein offenes Netz und bietet potenztiell jedem Zugriff. Das Internet, verbunden mit den
vielen anderen proprietären Netzen und erweitert durch die klassischen Online-wie
beispielsweise Datenbanken, bildet heute eine riesige Datenbankeinen riesigen Speicher an
Wissen, so groß und
durch die Vernetzung vor allem so komplex, wie wir das noch nie hatten.
Das Potenztial
für den Zugriff auf Wissen
für alle ist da, auch wenn im Netz vieles sicherlich Halbwissen oder sogar Lüge ist.ist da.
Andererseits ruft hat diese große Wissensplattform Leute auf
den Plan gerufen,
die ihre Chance sehen, damit
Geld zu verdienen wollen.
Seit Anfang/Mitte der 90er Jahre wird das Wissen auf
dieser Plattform zunehmend
kommerzialisiert.
Wissen wird als , wird zum Wissensprodukt vermarktet. Das bewirkt – zur Sicherung der
Besitzansprüche - fast zwangsläufig ein
sogenanntes „Zoning“ des
Web- eine Einteilung in kontrollierbare und abrechenbare Wissenszonen, auf die der Zugriff
durch Passwörter, Cookies
Signaturen,
über Geld oder über das was politisch korrekt ist, oder Verträge reguliert reglementiert wird Dadurch
entsteht einDas
hat das Paradox
entstehen lassen: Der Wissensraum ist absolut so gross und im Prinzip frei wie
nie, für den einzelnen kann er aber so klein bzw. kontrolliert werden, wie er ebenfalls nie zuvor war.
4.
Ein
anderes Paradox ist , dass in einer Zeit wo der Pool an Wissen immer schwerer
zu überschauen ist, gleichzeitig dank Günter Jauch und Co. eine wahre
Wissenseuphorie in sehr traditionellen Definitionsschranken stattfindet.
Ja,
die Popularität dieserse
Wissensquiz zeigten den
Trend an, dass Wissen und
unsere Beschäftigung mit Wissen und Wissensprodukten einer immer größen Anteil
auch an unserer „Freizeit“ bekommt. Das könnte auch eine Definition von
Wissensgesellschaft seinnach Wissen an. Wissen wird immer
wichtiger und spielt auch
im Alltag eine immer größere Rolle, in Wissenschaft, Wirtschaft, in den Medien und
der Politik sowieso. Das läuft natürlich darauf hinaus, dasDa ist es ganz konsequent,
dass man mit präsentem Wissen irgendwann ein Produkt wird, mit dem man Geld
verdient, mit dem man auch ein
Star werden kann. Früher brachten Grundbesitz oder die Verfügung über Kapital und Maschinen die
gesellschaftliche Anerkennung, heute übernimmt das Wissen diesen
Part. Immerhin muss man bei Herrn Jauch noch das abgefragte Wissen
selber im Kopf haben. Dass man aber zumindest einmal einen externen Freund zu
Rate ziehen kann, deutet die allgemeine Tendenz an: Ob das besonders
anerkennenswertes Wissen ist, mit dem man bei Herrn Jauch Millionär
wird, sei mal dahingestellt. Es wird nämlich immer komplizierter, das Wissen in
den relevanten Bereichen zu definieren. Auch deshalb, weil dDie durchgängig verfügbaren Ressourcen
im Internet dazu verführen dazu, Wissen nicht mehr zu erwerben, um es
dauerhaft zu besitzen. Wissen wird ein Verbrauchsgut wie Brötchen. Man erwirbt
Wissen aus dem Netz, löst ein Problem und vergisst es wieder. In der Fachwelt hat man dafür den Begriff des „Leasing“ übernommen. Wissen
wird nicht erworben, gelernt, sondern geleast, unter genau spezifizierten Bedingungen. Wissen verbraucht sich für den
Einzelnen. Wissen
erhält einen Warencharakter, auch bei Jauch.
5.
Neben
dem quantitativen Zugang ist auch die Qualität eine zentrale Frage bei der
Diskussion um Online-Wissen. Es sollen nicht nur alle Zugang zu Wissen haben,
sondern auch zu einer möglichst qualitätsvollen Form von Wissen. Wie schafft man
das?
Das
ist das Orientierungs-
oder Referenzwissen, das derjeder User Benutzer im Netz braucht,
um sich zurechtzufinden
und um den Wahrheitswert und die Handlungsrelevanz des aufgefundenen „Wissens“
einschätzen zu können. Das Netz
ist, wie erwähnt, auch
ein Quelle von Halbwissen und Nichtwissen. Ich habe bereits nicht zuletzt aus Gründen der
Sicherung von Qualität vorgeschlagen, dass die Universitäten, vielleicht über die
Bibliotheken durchgängig selber öffentlichen
Wissensservern an den Universitäten zu
etabliereneinrichten
sollen, bei denendie eine
Chance auf einen gewissen Standard
haben. Denn die Wissenschaft ist selber eine Form derdie Qualitätskontrolle übernimmt. Ein Stück
Wissen, das Sie bei einem solchen öffentlichen Server abrufen, hat hat eine sicherlich einen höheren
Stellenwert als ein Wissen, dass z.B. von der
Springer-Presse kommt. Das „Wissen“ aus der
Springer-Presse hat zwar sicherlich auch seine Berechtigung und seine Zielgruppen,
aber Wissen aus der
Hochschulumgebung, wie z.B. die Materialien
aus einem der „Open Course Ware“-Initiative vom des MIT (alle Unterrichtsmaterialien
kostenlos ins Netz), hat einen anderen gesicherteren Qualitätsstatus weil das
MIT sich gesellschaftlich legitimieren musste..
6.
Brauchen wir ein öffentlich-rechtliches Internet?
Das
geht
vielleicht ein bisschen weitist sicherlich der falsche Ansatz, und davon spricht ja auch
keiner. Das Öffentlich-Rechtliche ist ein ziemlich deutsche Konstruktion,
die man für das Netz und
die Dienste nicht zur
organisatorischen oder gar inhaltlichen Grundlage machen kann. Man darf
auch nicht vergessen, dass wir faktisch ein öffentlich-rechtliches Internet
haben. Diezumindest
die Technik weitgehend
auf öffentlich finanzierten Vorgaben beruht Netze die bereitgestellt
werden, sind öffentlich und von öffentlichen oder zumindest teilweise
öffentlichen Einrichtungen betrieben. so dass der Staat bzw. von ihm eingesetzte
Institutionen (DFN-Verein für die Wissenschaft z.B.) doch weiter erheblichen
Einfluss hat..
Das
entbindet aber Der fortlaufende Ausbau der kommerziellen
Informationswirtschaft entbindet also nicht die
Öffentliche Hand nicht von
der Pflicht, die Infrastruktur weiter zu pflegen und Gelder Mittel bereitzustellen, damit sich auch aus den
öffentlichen Einrichtungen Angebote entwickeln können, durch die der Zugriff auf Wissen offen gehalten
werden kann. Das Schlimmste ist wäre aber sicherdoch, wenn der
Staat sich in die Inhaltsdiskussion einschaltet und z.B. auch sich einmischt und festzulegen versuchtfestlegt,
was qualitative Inhalte sind. Die Versuchung ist immer da, wie man an den
Reformulierungs- und Regulierungsversuchen, z.B. beim Datenschutz, beim Überwachen von technischer Kommunikation, beim
Urheberrecht oder bei dem Abblocken von politisch bzw. rechtlich unkorrekter
Information erkennen kann. Der Staat soll ermutigen, aktiv zu werden. Die
Konkurrenz zwischen Wissensangeboten ist wichtig.
6.
Es
geht also nicht darum, den Wissensmarkt abzuschaffen, sondern die verschiedenen
Wissensangebote parallel zu halten?
Nicht
nebeneinander, die sollen sich ergänzen. Unser Wirtschaftssystem ist nun mal vermutlich auf längere
Perspektive marktwirtschaftlich organisiert und auf
Wettbewerb und privater Aneignung auch des Wissens ausgerichtet, damit
müssen wir uns arrangieren. Wir sollten nach Lösungen suchen, unter Anerkennung der
Modelle die unsere Wirtschaft leiten,müssen nach Lösungswegen zu suchen, wie man
die verschieden Interessen am Wissen befriedigen kann. Gefragt sind neue Produktions- und Vermarktungsmodelle, wie
z.B. die Open-Source-Bewegung, und gefragt ist ein neuer „Fair use“ bei der Nutzung von Wissen
im digitalen Medium. Das muss pPragmatisch formuliert sein, aber
nicht mit faulen Kompromissen.
7.
Wo fängt der faule Kompromiss an?
Den
exklusiven Besitzanspruch auf Wissen beispielsweise der „Microsofts“ dieser
Welt dürfen wir nicht akzeptieren. Wissen kann nicht proprietär sein. Man kann nicht
auf der einen Seite vom öffentlich produzierten Wissen profitieren und dann
nicht bereit sein, auch „zurückzuzahlen“, und sei es durch Öffnung. Das Ziel gerade in der Internetwelt ist
der freie, öffentliche Zugang zu Wissen unter fairen Bedingungen. Wissen ist
eine Entwicklungschance für jeden einzelnen und für jede Gesellschaft. Die
Wege dahin müssen können wir allerdings nicht gegen, sondern innerhalb
unseres Wirtschaftssystem finden. Die Informationswirtschaft wird schon selber
begreifen, dass der freie Fluss von Wissen und Information in der Gegenwart die beste Garantie auch für
eine Kommerzialisierung in der Zukunft ist.
7.
Kommen
wir noch mal zu einem speziellen Aspekt beim Wissenszugang, dem Urheberrecht.
Wer soll durch das Urheberrecht geschützt werden?
Der
Autor. Allerdings wird es immer schwerer den Autor als Aucktor eines
Wissensstückes in Zeiten der Hypertextifizierung festzustellenauszumachen. Das Urhebergesetz kennt den
Begriff der Ko-Autoren und schützt auch diese, aber das trifft nicht mehr
die Situation der verteilten kooperativen Wissensproduktion. Diese Problematik ist von der
Gesetzgebung noch gar nicht erfasst.
Verhindert Eher eingeschränkt werden muss aber daskönnen die Rechte an der Intermeidiäre (der Verlage, der
professionellen Content Provider oder der, an Verwertungsgesellschaften)., abgetreten werden.
Die werden zwar auch zu
Zeiten möglicher Direktpublikation und –organisation von Wissen nicht überflüssig, aber die derzeit mit allen Mitteln betriebene
Verteidigung von Rechten,
z.B. über verschärftes Digital Rights Management, das keine Ausnahmen des
Besitzuanspruches mehr übrig lässt, ist unangebracht. Und Derzeit scheint die
Rechtsprechung bzw.
-planung, nicht nur in den USA; sondern auch in der EU, scheint die
Verwertungsgesellschaften eher zu beschützenprotegieren., das zeigt auch die aktuelle europäische
Rechtsprechung. Autoren, Bibliotheken als Vermittler und vor allem Endnutzer haben
keine so machtvolle Lobby.
8.
Wer
muss also vor unserem aktuellen, unzeitgemäßen Urheberrecht geschützt werden?
Geschützt
werden muss die Öffentlichkeit, die von Wissen profitieren soll. Das Interesse am des Staates, ein positives Urheberrecht
warzu setzen, bestand darin,
Autoren zur
Wissensproduktion und
Veröffentlichung zu ermutigen, damit die Gesellschaft davon profitiert.
Autorenschutz ist nicht Selbstzweck, Verlagsschutz auch nicht. Verlage erfüllen
unter der gesellschaftlichen
Perspektive die Funktion, Wissen öffentlich zugängig zu machen, nicht mehr. Täten sie
das weiter, könnten sollten sie ruhigmeinetwegen verdienen,
was sie wollen. Eine faire Gesetzgebung muss diese Öffnung wieder erreichen, aber gerade an und in
dem diesem entscheidennden Punkt
bin ich sehr skeptisch weil die EU Richtlinie in dieser Hinsicht fatale
Formulierungen enthält. Und die deutsche Regierung wird davon nicht abweichen.. Da muss noch viel
Aufklärungsarbeit, vielleicht auch realer intellektueller Widerstand geleistet werden.
9.
Die
politisch-rechtliche Seite ist die eine, die beim Zugang eine Rolle spielt, die
andere ist die technische. Sie haben geschrieben, dass es immer auch eine
öffnende Software geben wird, wenn es eine restriktive gibt.
Das
ist die
Hoffnung undbislang
wohl auch die Realität. Die Restriktionen von der Wissensnutzung, z.B. auch bei CDs und DVDs,
ist vollziehen sich letztlich
über Software, z.B. über das erwähnte Digital Rights Management.
Jede Software kann eine Gegensoftware provozieren und erster unterlaufen. In den USA hat man
versucht, mit dem
„Digital Millenium Act“ die
Erstellung und den Vertrieb von Software zu verbieten, die restriktive, Urheberrechte aus
kommerziellem Interesse schützende Software aushebelt, die also Urheberrechte schüt.zt. Eine
perverse Situation. Das fortlaufende Verschliessen durch die Wirtschaft und das
sofort reagierende Öffnen durch Netz-Freaks führt auch doch zu einer
lächerlichen Hase-und-Igel-Jagd. Eine perverse Situation. So ist weder freie
Wirtschaftsentwicklung noch faire Nutzung möglich. Wissen, schon immer und erst recht im digitalen Medium, muss frei sein.Wissen muss
frei sein.
Vielen
Dank für das Gespräch.